Wie sich Schlaf und Rückenschmerzen gegenseitig beeinflussen
Menschen mit Rückenschmerzen haben sehr häufig auch Probleme mit dem Schlafen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Schmerzen und Schlafstörungen und geben vier Tipps, die Linderung verschaffen können.
Schlafstörungen bei Rückenschmerzen
Fast 24 Jahre unseres Lebens verbringen wir im Schlaf. Doch während wir friedlich schlummern, leistet unser Körper ganze Arbeit. Im Schlaf werden die Eindrücke des Tages verarbeitet, im Gehirn neue Verbindungen geknüpft und ausreichend Energie für den nächsten Tag gesammelt.
Ein erholsamer Nachtschlaf ist also ein essenzieller Baustein für unsere Lebensqualität und Leistungsfähigkeit.1
Menschen, die von Rückenschmerzen betroffen sind, haben sehr häufig auch Probleme mit dem Einschlafen und Durchschlafen. Eine große australische Studie fand bei etwa 60% der untersuchten Rückenschmerzpatient:innen Hinweise auf Schlafprobleme. Dabei war die Dauer der Rückenschmerzen entscheidend – je länger Patient:innen bereits mit ihren Schmerzen zu tun hatten und je stärker die Schmerzintensität, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch von Schlafproblemen berichteten.2 Auch andere Studien bestätigen, dass Menschen mit Rückenschmerzen in der Tat sehr häufig nicht erholsam schlafen und von Schlafmangel geplagt sind.3
Rückenschmerzen sorgen bei Betroffenen aber nicht nur dafür, dass sie nachts häufiger aufwachen. Vielmehr schlafen Patient:innen mit Schmerzen in der Nacht kürzer und weniger erholsam, außerdem brauchen sie länger um einzuschlafen und sind dadurch tagsüber weniger erholt als „Rückengesunde“.4
Wir sind uns einig, dass guter Schlaf zu den entscheidenden Wohlfühlfaktoren des Lebens gehört. Deshalb widmen wir diesen Artikel den drei wichtigsten Fragen zu Schlafstörungen bei Rückenschmerzen. Uns interessiert vor allem:
Warum leiden so viele Patient:innen mit Rückenschmerzen an Schlafstörungen?
Was kommt zuerst, die Schmerzen oder die Probleme mit dem Schlaf?
Was kann Rückenschmerzpatient:innen helfen, wieder besser zu schlafen?
Los geht’s mit der Antwort auf Frage 1!
Rückenschmerzen und Nachtschlaf beeinflussen sich gegenseitig
Ist es wirklich so einfach, dass Rückenschmerzen den Schlaf unterbrechen, weil sie einfach weh tun und uns der Schmerz aufwachen lässt? Oder führt schlechter Schlaf dazu, dass wir Rückenschmerzen stärker wahrnehmen?
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Wahrheit etwas komplizierter ist: zwischen Schlafstörungen und Rückenschmerzen besteht ein Wechselspiel, sie scheinen sich gegenseitig in beide Richtungen zu beeinflussen.
In einer aktuellen Studie wurden die Schlafgewohnheiten von 80 Patient:innen mit Rückenschmerzen mittels technischer Hilfsmittel und Schlaftagebücher untersucht. Zum einen bestätigt die Studie, dass Teilnehmende an Tagen mit stärkeren Schmerzen nachts schlechter schlafen. In den Nächten, denen Tage mit stärkeren Schmerzen vorausgingen, schliefen die Teilnehmenden später ein, schliefen in der Nacht weniger erholsam und wachten öfters nachts auf.
Stärkere Schmerzen führen also zu schlechterem Schlaf. Doch auch der Umkehrschluss ist richtig. Denn laut der Studie waren die Rückenschmerzen am Tag besonders stark, wenn die Teilnehmenden die Nacht zuvor nicht gut geschlafen hatten.5
Schlafstörungen beeinflussen das Auftreten von Rückenschmerzen auch längerfristig: Eine norwegische Studie zeigt, dass Menschen mit regelmäßigen Schlafproblemen eine um zwei Drittel erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, in den nächsten zehn Jahren auch Rückenschmerzen zu bekommen.6 Auch eine Studie mit finnischen Feuerwehrleuten bestätigte, dass Menschen mit Schlafstörungen langfristig häufiger Rückenschmerzen entwickeln.7
Aber was ist denn nun zuerst da? Die Schmerzen oder die nächtliche Unruhe? Weiter geht’s mit der Antwort auf Frage 2.
Rückenschmerzen und Schlafstörungen werden oft durch ähnliche Faktoren ausgelöst
Rückenschmerzen entstehen meist nicht durch rein körperliche Faktoren, sondern durch ein komplexes Zusammenspiel aus körperlichen, psychischen und umweltbedingten Ursachen.8 Gerade bei der Entstehung chronischer Rückenschmerzen, also Beschwerden die länger als zwölf Wochen anhalten, spielen psychische Belastungen wie depressive Verstimmungen oder Stress oft eine große Rolle.
Genau diese Faktoren beeinflussen auch unseren Schlaf.9,10
Wie stark unsere Psyche die Schmerzen beeinflusst zeigt sich daran, dass Grübeln oder Gefühle von Hilflosigkeit sowohl zu Schlafmangel führen als auch Kreuzschmerzen verursachen können.11 Darüber hinaus gilt privater oder vor allem beruflicher Stress als ein entscheidender Auslöser für beide Probleme, Rückenschmerzen und Schlafstörungen.12,13
Was zuerst da war, der Schmerz oder die Schlafstörung, kann also nicht eindeutig beantwortet werden und hängt von der individuellen Krankengeschichte eines Menschen ab.
Was also tun, wenn der Rücken schmerzt und die Nacht kurz ist? Wir haben vier Tipps gesammelt, die Symptome effektiv lindern können.
Unsere Tipps bei Schlafstörungen durch Rückenschmerzen
Hinweis: Da Schlafstörungen und Schlafmangel weitere gesundheitliche Ursachen neben Rückenschmerzen haben können, empfehlen wir, Schlafprobleme medizinisch abklären zu lassen. Dadurch können sich weitere Möglichkeiten der Behandlung eröffnen.
1. Den Schlafplatz optimieren: ruhig und rückengerecht!
Zu den einfachen Hausmitteln bei Schlafstörungen gehört es, sich einen Schlafplatz zu schaffen, an dem man sich rundum wohlfühlt. Dabei hilft die Verbannung von Uhren aus dem nächtlichen Blickfeld und ein technikfreies Schlafzimmer!14 Das Licht von Smartphone, Laptop und co. stört nämlich die körpereigene Melatoninproduktion. Melatonin ist unser Schlafhormon, das vor allem bei Dunkelheit ausgeschüttet wird und dafür sorgt, dass wir müde werden.
Wer nur schwer einschlafen kann, sollte es also nicht unbedingt mit dem aufgeklappten Laptop im Bett versuchen. Und wenn es doch die Lieblingsserie sein soll, dann am besten im Nachtmodus. 🙂
Auch schlechte oder zu warme Luft im Schlafzimmer stören den Nachtschlaf. Ideal ist eine Umgebung mit Temperaturen zwischen 16 und 19 Grad, denn der Körper reguliert nachts die eigene Temperatur automatisch herunter.
Frieren in der Nacht ist natürlich nicht gewünscht, genauso wenig wie schwitzen. Hier können wir uns auf unser eigenes Empfinden verlassen und einfach so lange lüften, wie es für uns angenehm ist. Hauptsache ist, die Füße sind warm und die Luft frisch!
Wenn Rückenschmerzen der Grund für schlechten Schlaf und Schlafmangel sind, bietet sich an, das Bett ergonomisch zu gestalten und auch im Liegen etwas für den Rücken zu tun. Rückenfreundliche Schlafsysteme und Therapiematratzen prüft zum Beispiel ein unabhängiges Expertengremium von Ärzt:innen und Therapeut:innen der Aktion Gesunder Rücken e.V. und erteilt empfehlenswerten Produkten ein Gütesiegel.
2. Ausreichende Bewegung und körperliches Training hilft gegen Schlafstörungen und Rückenschmerzen
Ausreichende körperliche Bewegung ist zur Vorbeugung und auch Behandlung von Rückenschmerzen und Muskelverspannungen ein entscheidender Baustein, wie aktuelle Leitlinien betonen.15
Körperliche Bewegung und kräftigende Übungen tragen dazu bei, dass sich die Beschwerden bei Rückenschmerzen nicht verschlimmern, außerdem ist sie wichtig, um das sogenannte “Schonungsverhalten” zu unterbrechen, bei dem Betroffene schmerzhafte Belastungen systematisch meiden. Häufig spannen sich dadurch andere Bereiche des Körpers an, was zu Muskelverspannungen führen kann.16
Auch bei Schlafproblemen kann eine Steigerung der körperlichen Aktivität durch gezielte Übungen die Beschwerden lindern und sogar zu weniger Medikamenteneinnahme bei Betroffenen führen.17
Fazit: Körperliche Bewegung, etwa im Rahmen eines strukturierten Trainingsprogramms, ist eine gute Methode für Rückenschmerzpatient:innen mit Schlafproblemen, um gleichzeitig etwas gegen beide Beschwerden zu unternehmen!
3. Psychologische Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität: Die Ursachen angehen
Wie schon erwähnt, gibt es neben den körperlichen Ursachen viele andere Faktoren, an denen wir ansetzen können, um den Schlaf zu verbessern.
Psychologen haben eine Vielzahl von Maßnahmen entwickelt, die sich positiv auf den Schlaf auswirken, wie zum Beispiel die Umstellung des Schlafrhythmus, das Führen eines Schlaftagebuchs oder eine psychologische Verhaltenstherapie.18
Da sowohl Schmerzen zu Stress führen als auch Stress zu Schmerzen, kann das Erlernen eines Entspannungsverfahrens wie der Progressiven Muskelentspannung oder bestimmte Achtsamkeitsübungen eine Besserung herbeiführen.19 Der moderne Achtsamkeitsbegriff basiert auf dem Konzept der Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn. Der Molekularbiologe und emeritierte Professor kombinierte erstmals Elemente aus dem Buddhismus, Yoga und der Meditation mit wissenschaftlicher Forschung und wies die positiven effekte seines Programms zur Stressreduktion auf das Gehirn und Immunsystem nach.20 Seitdem werden Achtsamkeitsübungen, wie zum Beispiel die Meditation, erfolgreich in Kliniken und anderen Einrichtungen zur Behandlung von Erkrankungen des Körpers und Geistes eingesetzt.
4. Die Symptome mit Medikamenten behandeln
Medikamente sind häufig für kurze Episoden und nur unter engmaschiger ärztlicher Überwachung zu empfehlen. Schmerzbedingten Schlafstörungen können beispielsweise kurzzeitig mit Schlafmitteln gelindert werden.21 Wichtig zu erwähnen ist der schnelle Gewöhnungseffekt, weshalb Schlafmittel ebenfalls nur in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin eingenommen werden sollten.22
Liegt aber eine Grunderkrankung vor, die sowohl Rückenschmerzen verstärkt als auch den Schlaf stört, wie etwa eine Depression, kann die medikamentöse Therapie der Depression oft auch den Schlaf bessern.23
Wichtig: Medikamentöse Therapien für körperliche sowie psychische Erkrankungen können die Lebensqualität von Patient:innen deutlich erhöhen. Der Einsatz von Medikamenten ist daher nicht falsch und sollte keine Stigmatisierung der Betroffenen verursachen. Wir finden es lediglich wichtig, dass Menschen gut über unterschiedliche Behandlungsmethoden aufgeklärt werden, um danach eine Entscheidung treffen zu können, die ihre Gesundheit bestmöglich unterstützt.
Wie wir nun gelernt haben, gibt ein ein komplexes Wechselspiel zwischen Schlafproblemen und Rückenschmerzen. Da Bewegung und Entspannung wichtige Helfer auf dem Weg zur Besserung sind – sowohl um Schmerzen zu lindern als auch den Schlaf zu verbessern – haben wir die digitale Therapie von Kaia Rückenschmerzen entwickelt. Unsere Anwendung beinhaltet ein Therapieprogramm, das Bewegung, Entspannung und Wissen in einer App kombiniert. Nutzende können bei Kaia ein Tagebuch über ihre Schmerzintensität und Schlafqualität führen und so über die Zeit beobachten, wie sich beide Faktoren bedingen. Die Übungen in der App werden täglich neu zusammengestellt, kräftigen die Muskulatur und können Muskelverspannungen vorbeugen. Interessierte müssen sich allerdings noch ein wenig gedulden, da die App aktuell nur für Versicherte einiger gesetzlichen und privaten Krankenkassen verfügbar ist. Wir bemühen uns darum, schon bald noch mehr Menschen Zugang zur Therapie von Kaia Rückenschmerzen zu geben.
Quellen
2: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21190045
3: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24699238
4: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=20842008
5: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24451630
6: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24293504
7: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25085527
9: http://www.leitlinien.de/nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-2
10: http://www.leitlinien.de/nvl/html/depression/kapitel-2#section-4
11: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11880847
12: https://www.dak.de/dak/gesundheit/schlaflosigkeit-und-job-1077964.html
13: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4813361/
15: http://www.leitlinien.de/nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-5
16: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22421188
17: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22884182
18: https://www.test.de/medikamente/krankheit/schlafstoerungen-k217/
19: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24395850/
20: https://www.arbor-verlag.de/jon-kabat-zinn
21: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24882900/
22: https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Benzodiazepine
23: https://www.leitlinien.de/themen/depression/2-auflage/kapitel-3
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