3 Irrtümer über nicht-spezifische Rückenschmerzen

Rückenschmerzen haben häufig keine spezifische Ursache. So kursieren viele Irrtümer rund um die Diagnostik, Dauer der Symptome und Behandlung. Wir klären die drei größten Missverständnisse.

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Ärztin erklärt Mann Röntgenbild

Was sind nicht-spezifische Rückenschmerzen?

Rückenschmerzen sind ein globales Leiden und einer der häufigsten Gründe für einen Arztbesuch. Allein in Deutschland erkranken 85 Prozent der Menschen mindestens einmal in ihrem Leben an therapiebedürftigen Rückenschmerzen.(1),(2)

Umso wichtiger ist es, Irrtümer aus dem Weg zu räumen und Menschen ein Verständnis für ihre Schmerzen zu vermitteln. Denn so lästig sie auch sind, haben Rückenschmerzen doch eine wichtige Botschaft: Stopp, hier läuft etwas nicht ganz rund.

Daher können Rückenschmerzen auch als Weckruf verstanden werden. Werden die Symptome als Grundlage für eine Veränderung des eigenen gesundheitsbezogenen Lebensstils genommen, ist der erste Schritt zu einem gesunden Rücken getan.

Wo es schmerzt ist häufig einfacher abzuklären als das Warum. Auch wenn viele Patient:innen glauben, dass ein Arztbesuch den Grund für ihre Schmerzen definiert, so können nach ausführlicher Diagnostik nur rund 15 Prozent aller Rückenschmerzen einer spezifischen Ursache zugeordnet werden.(3) In den restlichen Fällen spricht man von “unspezifischen” bzw. “nicht-spezifischen” Rückenschmerzen. Besonders hoch ist der Anteil bei Schmerzen im unteren Rücken – ganze 90% der unteren Rückenschmerzen sind nicht-spezifisch.

Bei der Diagnose achten Ärzt:innen zunächst darauf, dass keine “Red Flags”, also Warnsignale für schwerwiegende, spezifische Ursachen vorliegen, wie zum Beispiel:

  • Frakturen
  • Tumorerkrankungen
  • Bandscheibenvorfall
  • Infektionen

Was führt zu nicht-spezifischen Rückenschmerzen?

Auch wenn es nicht die eine entscheidende Ursache für nicht-spezifische Rückenschmerzen gibt, helfen bestimmte Ansätze dabei, ihre Entstehung zu erklären. Allen voran das biopsychosoziale Modell, das im Jahr 1977 von dem Internisten und Psychologen George L. Engel aufgestellt wurde.(4) Auch heute hat das Krankheitsmodell seine Gültigkeit und dient dabei als Grundlage für Prävention, in der Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation von Rückenschmerzen.

Das biopsychosoziale Modell geht davon aus, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren in Wechselwirkung miteinander stehen und nicht isoliert voneinander betrachtet werden sollten. Mit berücksichtigt werden dabei:

  • Genetische Dispositionen, Risikofaktoren und organische Ursachen (bio)
  • Das Verhalten, die Emotionen und die mentale Gesundheit (psycho)
  • Soziale Kontakte sowie berufliche und umweltbezogene Lebensbedingungen (sozial)

Da die Psyche eine wichtige Rolle spielt, können Patient:innen beispielsweise reflektieren, ob es Faktoren gibt, die täglich Stress auslösen und die psychische und körperliche Verfassung negativ beeinflussen. So zum Beispiel eine dauerhafte Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Mehr Hintergründe zur Rolle der Psyche bei Rückenschmerzen gibt es hier. Mit einem ganzheitlichen Blick schaffen Patient:innen und Ärzt:innen so weitere Möglichkeiten, aktiv zu werden. Wichtig dabei ist, den eigenen Lebensstil mit einzubeziehen und in einen offenen Dialog mit den behandelnden Ärzt:innen zu gehen. Nur so lassen sich Unsicherheiten und Irrtümer aus dem Weg räumen.

Das steckt hinter den drei größten Rücken-Mythen:

Irrtum 1 bei Rückenschmerzen: „Glücklicherweise gehen Rückenschmerzen bei den meisten Menschen einfach von selbst weg.”

Dass Rückenschmerzen einfach von selbst verschwinden, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Dieser Mythos beruht auf Studien, welche die Rückkehr an den Arbeitsplatz oder das Ausbleiben von Arztbesuchen mit Schmerzfreiheit gleichgesetzt haben.(5) Tatsächlich verspüren laut einer Studie 33 Prozent der Patient:innen ein Jahr nach ihrer ersten Episode immer noch moderate und 15 Prozent starke Schmerzen.(6)

Bei vielen Menschen kommen die Rückenschmerzen sogar wieder. Je nach Studie wird von einer Rückfallrate zwischen 31 und 86 Prozent ausgegangen.

Diese Zahlen sollen nicht verängstigen. Sie zeigen nur, dass ein gesunder Rücken nicht plötzlich an der Tür klopft.

Um einer Chronifizierung der Schmerzen vorzubeugen, ist es hilfreich, nicht einfach die aktuelle Episode zu behandeln, sondern präventiv aktiv zu werden. Wer für zwei Monate trainiert und dann aufhört, setzt sich einem höheren Risiko aus, dass der Schmerz wiederkehrt. Wichtig ist also, gesunde Routinen zu entwickeln, die wirklich in den eigenen Alltag passen und denen man dauerhaft nachgeht.

Irrtum 2 bei Rückenschmerzen: „Als Erstes sollte auf jeden Fall bildgebende Diagnostik eingesetzt werden, zum Beispiel eine MRT oder Röntgenaufnahmen.”

Viele Patient:innen glauben, dass Röntgenaufnahmen oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) fester Bestandteil der Untersuchung sind. Bildgebende Verfahren haben laut eines Statements von Prof. Dr. med. Rainer Wigand, Facharzt für innere Medizin, aber einen Nachteil – obwohl sie häufig nicht die entscheidenden Hinweise liefern, verunsichern sie die Patient:innen bei der Einschätzung ihrer Schmerzen. „Schon bei beschwerdefreien 20- bis 30-Jährigen lassen sich bei einer Kernspinaufnahme Auffälligkeiten entdecken […]. Ein bildhafter Befund führt beim Patienten aber schnell zu einer Verfestigung der Symptomatik”, so Wigand in einem Medizinreport des Ärzteblattes.(7)

Üblicherweise wird der Arzt oder die Ärztin nach zwei bis vier Wochen einen Folgetermin vereinbaren und dann erst entscheiden, ob Aufnahmen oder auch ein Besuch bei Spezialist:innen nötig sind.

Irrtum 3 bei Rückenschmerzen: „Man sollte sich in jedem Fall schonen oder im Bett bleiben, besonders dann, wenn jede Bewegung weh tut.”

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung bekommen knapp die Hälfte aller Patient:innen immer noch Ruhe und Schonung empfohlen.(8) Das ist ein großes Paradox, denn gerade bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen ist Bewegung ein wichtiger Grundpfeiler der Therapie. Von ärztlicher Seite sollten Patient:innen eher zu einem aktiven Lebensstil motiviert werden. Die gute Nachricht: In der Leitlinie gibt es keine klare Empfehlung für eine bestimmte Art der Bewegung. Viele Expert:innen sind der Meinung, dass die Stärkung des Rückens patientenindividuell sein sollte. Es ist nicht wichtig, was getan wird, sondern dass man sich bewegt. Studien zeigen zwar, dass Stabilisierungsübungen oder auch Pilates gegen Rückenschmerzen helfen, wer an den Übungen aber keinen Spaß hat, wird nicht langfristig dabei bleiben.

Der größte Irrtum von allen ist, dass wir Unmengen von Zeit und teures Equipment brauchen, um etwas für die Rückengesundheit zu tun. Unser letzter Tipp ist daher denkbar einfach: Wer gerne spazieren geht, geht einfach etwas länger spazieren. Oder häufiger. Schließlich zählt am Ende nicht, wer die größten Schritte macht, sondern wer auf halber Strecke immer noch aufrecht geht.

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