Hausarzt, Orthopädin, Schmerztherapeutin: Welche Ärzte helfen mir wann bei Rückenschmerzen?
Erfahre, an wen du dich in welcher Phase deiner Behandlung wenden kannst und wer bei welchen Schmerzen der beste Ansprechpartner ist.
* Wir sprechen in diesem Artikel alle Geschlechtsidentitäten an. Welchem Geschlecht du dich auch zugehörig fühlst, du bist eingeladen, dich mit der Schreibweise zu identifizieren, die dir am meisten zusagt! Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, haben wir bunt gemischt. Viel Freude beim Lesen.
Viele Patienten suchen mit ihren Rückenbeschwerden lange Zeit nach den richtigen Ärztinnen. Ist der Hausarzt geeignet, um Rückenschmerzen zu behandeln? Wofür ist eine Orthopädin zuständig? Wie kommt der Physiotherapeut ins Spiel? Und wann macht es Sinn, einen Spezialisten zurate zu ziehen?
Wir geben dir einen Überblick darüber, welche Ärzte bei der Behandlung von Rückenschmerzen eine Rolle spielen. Erfahre, an wen du dich in welcher Phase deiner Behandlung wenden kannst und wer bei welchen Schmerzen die beste Ansprechpartnerin ist.
Wann sollte ich mit Rückenschmerzen überhaupt zum Arzt gehen?
Rückenschmerzen sind lästig, haben aber häufig keine schwerwiegende Ursache. Ob eine Behandlung und umfangreiche Diagnostik notwendig ist, kann mit einfachen Fragen geklärt werden. Ärztinnen suchen dann nach sogenannten red flags.(1) Das sind Warnhinweise, die auf eine spezifische Ursache hindeuten. Allerdings sagt ein einzelner Hinweis wenig aus. Vielmehr ist das Gesamtbild entscheidend, das sich während der Anamnese ergibt.(2) Zu den red flags zählen unter anderem:
Frakturen/Osteoporose | Schwere Verletzungen nach Stürzen oder Unfällen |
Langzeitbehandlung mit Cortison | |
Infektionen | Fieber, Schüttelfrost |
Starke Schmerzen in der Nacht | |
Nervenschäden | Schmerz, der in die Beine ausstrahlt |
Lähmungen, Gefühlsstörungen | |
Tumore/Krebs | Starke Schmerzen in der Nacht |
Ungewollter Gewichtsverlust | |
Starke Schmerzen in Rückenlage | |
Tumor- oder Krebsleiden in der Vergangenheit | |
Rheumatische
Erkrankung |
Morgensteifigkeit |
Begleitende Gelenkschmerzen oder Entzündungen | |
Schleichender Beginn der Schmerzen | |
Tabelle 1: Warnhinweise für einen behandlungsbedürftigen Verlauf bei Rückenschmerzen.(3),(4)
Wir empfehlen dir, bei allen Rückenschmerzen, die länger als einige Tage bestehen und dich im Alltag beeinträchtigen, ärztliche Abklärung zu suchen. Meist sind keine intensiven Behandlungsmaßnahmen erforderlich. Der Ausschluss von bedrohlichen Ursachen ist jedoch Balsam für das Gemüt.
Die Alleskönner: Allgemeinmedizinerinnen und Hausärzte in der Behandlung von Rückenschmerzen
Für viele Patientinnen ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle bei Beschwerden – nicht zuletzt, da die Wartezeiten, im Vergleich zu Fachärzten, kürzer sind. So wundern wir uns nicht, dass auch ein Großteil der Patienten mit Rücken- und Nackenschmerzen zunächst einen Termin bei ihrem Hausarzt machen. Rücken- und Nackenschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen, warum Patienten ihre Hausärztin aufsuchen.(5)
Da sich neu beginnende Rücken- und Nackenschmerzen meistens auch ohne aufwändige Behandlung bessern, werden durch geltende Leitlinien zunächst einfache Behandlungen empfohlen.6 Hierzu gehören z. B. Beratung und Aufklärung, körperliche Bewegung und ggf. die kurzzeitige Einnahme von Schmerzmedikamenten, um die entsprechende Bewegung zu ermöglichen.
Red flags können ebenfalls durch die Hausärztin ausgeschlossen werden, indem die Krankengeschichte erhoben und eine körperliche Untersuchung durchgeführt wird. Daher können in der Tat die meisten Fälle von Rückenschmerzen erfolgreich durch den Hausarzt behandelt werden.
Sollten sich die Beschwerden nicht bessern oder sich der Verdacht einstellen, dass eine konkrete, behandlungsbedürftige Ursache hinter den Beschwerden steckt, erfolgt die (Mit-)Behandlung durch Spezialisten, wie Orthopäden oder Schmerzmedizinerinnen.
Die Durchleuchter: Wann der Besuch beim Radiologen mit Rückenschmerzen Sinn macht
Etwa die Hälfte aller Patienten, die sich in Hausarztpraxen wegen Rückenschmerzen vorstellen, denken, dass bei Rückenschmerzen immer weiterführende Untersuchungen nötig sind.(6) Dabei empfehlen Expertinnen eher das Gegenteil: Nur wenn aus der erhobenen Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung red flags deutlich werden, ist weiterführende Diagnostik nötig.(7)
Wenn sogenannte “spezifische Rückenschmerzen” diagnostiziert werden, kommen die entsprechenden Fachärzte wie Orthopädinnen oder auch Neurochirurgen zum Zug. Zunächst wird der Verdacht mit diagnostischen Aufnahmen des betroffenen Rückenabschnitts überprüft.
Während viele Orthopädinnen Röntgenaufnahmen direkt in ihrer Praxis anfertigen können, werden andere medizinische Aufnahmen überwiegend von Radiologen übernommen. Zur weiteren Abklärung der Rückenschmerzen wird dann selten eine Kernspintomografie (MRT) durchgeführt.(8) Die Kernspintomografie hat mehrere Vorteile: Zum einen kann sie die nicht-knöchernen Strukturen der Wirbelsäule wie Nerven oder auch die Bandscheiben genau darstellen, zum anderen verursacht die Kernspintomografie keine Strahlenbelastung.(9)
Doch Wundermittel sind auch Kernspinuntersuchungen nicht: Viele Menschen weisen auf den Bildern Veränderungen der Wirbelsäule auf, welche die Schmerzen nicht ausreichend erklären. Daher sollten die beobachteten Veränderungen stets nur in einem größeren Zusammenhang mit der Krankengeschichte und den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung gesehen werden.(10)
Welche Rolle spielen Physiotherapeuten in der Behandlung von Rückenschmerzen?
Viele Studien und internationale Leitlinien sind sich einig: Wenn Rückenschmerzen schon länger als sechs Wochen bestehen, sollte Bewegungstherapie (z. B. Krankengymnastik) Teil der Behandlung sein.(11)
Die Patienteninformation zur geltenden deutschen Leitlinie für Kreuzschmerzen empfiehlt Patientinnen, gemeinsam mit den behandelnden Physiotherapeuten eine passende Therapieform auszuwählen. Krankengymnastik für den Rücken kann auf viele Arten und Weisen durchgeführt werden. Es gibt jedoch keine sicheren Hinweise, dass eine bestimmte Form der Behandlung die einzig richtige wäre. Die richtige Krankengymnastik sollte Spaß machen, selbst zu erlernen sein und die Muskulatur am Rücken stärken.(12)
Physiotherapeutinnen sind auch in Manueller Therapie geschult. Bei dieser Behandlungsform wird durch die Einwirkung der Hände der Therapeutin auf den Rücken eine schmerzlindernde Wirkung erzielt.(13)
Ein wichtiger Grundsatz gilt in der Behandlung durch Physiotherapeutinnen: Eine aktive Behandlung, die dem Patienten ermöglicht, selbst etwas gegen seine Beschwerden zu unternehmen, sollte immer bevorzugt werden.
Die Spezialisten für behandlungsbedürftige Ursachen von Rückenschmerzen: Orthopädinnen und Neurochirurgen
Spätestens wenn in den Untersuchungen eine behandlungsbedürftige Ursache der Rückenschmerzen festgestellt wird, wie etwa ein Bandscheibenvorfall, erfolgt die Behandlung durch eine dieser beiden Fachrichtungen.
Orthopäden verfügen in der Regel über viel Erfahrung in der Behandlung von Schmerzen, die in das Bein ausstrahlen (Ischiasschmerzen) oder von Schmerzen des Iliosakralgelenks. Was genau Orthopäden bei Rückenschmerzen zur Behandlung unternehmen, ist je nach Befund und individueller Situation des Patienten sehr verschieden. Das Spektrum reicht von konservativen Behandlungsmethoden bis hin zu Operationen und sollte gemeinsam mit der Patientin diskutiert und beschlossen werden.
Treten die Beschwerden durch eine Einengung des Rückenmarkkanals oder Druck auf eine Nervenwurzel auf, so zum Beispiel bei einem Bandscheibenvorfall, werden sie häufig auch von Neurochirurgen behandelt.
Schmerztherapeutinnen und multimodale Therapie: Chronische Schmerzen erfolgreich behandeln
Viele Patienten, die an länger dauernden Rückenschmerzen leiden, haben bereits einen langen Leidensweg hinter sich und oft mehrere Ärztinnen in die Behandlung eingebunden.
Expertinnen verstehen unter sogenannten chronischen (also dauerhaft bestehenden) Rückenschmerzen alle Schmerzen, die länger als drei Monate ohne Unterbrechung bestehen und die Betroffenen entsprechend stark in ihrer Lebensqualität einschränken.13
Häufig ist die Behandlung bei länger bestehenden Schmerzen für Betroffene unbefriedigend. Denn wenn Rückenschmerzen länger bestehen, bildet sich im Körper und im Gehirn ein regelrechtes Schmerzgedächtnis.14 Ungeachtet dessen wird bei chronischen Rückenschmerzen oft eine rein körperlich orientierte Behandlung durchgeführt, teilweise auch mit starken Schmerzmitteln oder Operationen.15
Expertinnen empfehlen in den aktuellen Leitlinien bei der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen an mehreren Stellen gleichzeitig anzusetzen, um das Schmerzgedächtnis aktiv zu beeinflussen.16 Hier kommen Schmerztherapeuten zum Einsatz, die auch eine sogenannte multimodale Therapie einleiten können. Im Rahmen der multimodalen Therapie wird in einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Psychologinnen, Physiotherapeuten und anderen Berufsgruppen die komplexe Ursache von Rückenschmerzen aus mehreren Richtungen angegangen.
Zum Schluss haben wir die wichtigsten Fragen auf dem Weg zu der richtigen Behandlungsmethode zusammengestellt. Erst wenn du und deine Ärztin alle relevanten Informationen und Antworten beisammen haben, können gute Entscheidungen getroffen werden, die den ersten Schritt zur Linderung möglich machen.
Das könnte dich dein Arzt fragen: | |
Zu deinen Beschwerden: | |
|
|
Zu deinen Medikamenten: | |
|
Das könntest du deinen Arzt fragen: | |
Zur Behandlung allgemein: | |
|
|
Zur Einnahme von Medikamenten: | |
|
Am Ende bleibt die gute Nachricht, dass es viele Expertinnen gibt, die sich der Diagnose und Behandlung deiner Schmerzen widmen. Kommt noch ein vertrauensvolles Verhältnis dazu, sind viele wichtige Kriterien für die Schmerzlinderung bereits erfüllt. Wir wünschen dir eine gute Besserung!
Quellen
(3) https://www.aerzteblatt.de/archiv/175568/Akuter-lumbaler-Rueckenschmerz
(4) https://www.aponet.de/artikel/warnzeichen-bei-rueckenschmerzen-wann-zum-arzt-25325
(7) http://www.leitlinien.de/nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-4
(8) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26282178
(10) http://www.medizinfo.de/ruecken/diagnostik/mrt.shtml
(12) http://www.leitlinien.de/nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-5#section-11
(13) http://www.leitlinien.de/nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-1#section-1
Weitere Artikel
-
Wir zeigen dir, wie du fitter durch den Homeoffice-Alltag kommst. Mit einfachen Übungen, die nicht viel Zeit kosten und ohne Geräte jederzeit auszuführen sind.4 Min. Lesezeit
-
Akuthilfe bei Verspannungen: Nackenschmerzen verstehen und lindern
Willkommen beim kleinen Einmaleins der Nackenschmerzen! Wir zeigen, wie Verspannungen entstehen und was man aktiv dagegen tun kann.5 Min. Lesezeit -
Gesund im Homeoffice: 3 Tipps bei Rückenschmerzen
Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Das muss aber nicht für Rückenschmerzen gelten. Denn mit ein paar einfachen Methoden lässt sich der Arbeitstag zu Hause aktiver und rückenfreundlicher gestalten.6 Min. Lesezeit