„Sag ICH WILL, statt: Mir hilft ja keiner. Das ist Mut.”

COPD und Post-Covid – zwei Diagnosen, die den Alltag von Lutz Hennrich beeinflussen, nicht aber seine positive Haltung zum Leben erschüttern. Im Interview teilt er seine persönliche Geschichte.

8 Min. Lesezeit
Portrait von Lutz Hennrich

Ein Interview von Rehmesmee Gojowy

An einem Freitag um 11 Uhr treffe ich Lutz Hennrich vor seinem Laptop in der schönen Lausitz. Er erklärt mir ruhig, dass er mir ein Zeichen gibt, falls wir das Gespräch aufgrund von Luftnot unterbrechen müssen. Kurz vor Mittag sei aber normalerweise eine gute Zeit für ihn.

Er nennt seine beiden Diagnosen COPD, im Stadium GOLD 2, und das Post-Covid-Syndrom die “Stolpersteine” in seinem Leben. Umso neugieriger war ich, zu erfahren, mit welcher inneren Einstellung er seinen Erkrankungen begegnet und wie er seinen Alltag meistert.

Aus einem Gespräch, das für 45 Minuten angesetzt war, wurden 1,5 Stunden. Die schönsten Antworten habe ich in diesem Artikel für euch zusammengefasst!

Herr Hennrich, wie war es damals, als Sie die COPD Diagnose bekommen haben und wie ist es heute? Gehört die COPD mittlerweile zu ihrem Leben?

Bei mir war es eine schleichende Geschichte. Ich bin früher Schlosser gewesen im Kraftwerk Schwarze Pumpe. Wir haben viel mit mineralischen Stäuben, mit Asbest und Asche zu tun gehabt. Zu meiner Zeit war es außerdem üblich, dass in den Pausenräumen geraucht wurde.

Ich selbst habe zwar als Jugendlicher ein halbes Jahr geraucht, aber richtiger Raucher war ich nie. Deshalb kam es weniger vom Rauchen, vielleicht vom Passivrauchen, aber eigentlich kann es nur betrieblich zusammenhängen.

Ich bin über die Arbeitsmedizin im Betrieb immer wieder auffällig gewesen, da mein Lungenvolumen nicht zu meinem Alter passte. Deshalb ging ich häufiger zum Pneumologen, der Vergleichsmessungen machte, die meist besser waren. Es hat sich dann fünf bis sechs Jahre hingezogen, bis ich die Diagnose bekam.

Ich ahnte also schon länger: „Da ist irgendwas“, es hat mich in kein psychisches Loch geschmissen.

Ich habe sogar immer wieder gedacht, dass ich gar nicht weiß, was die Ärzt:innen von mir wollen. Ich kam mit allem klar, ich bin jeden Tag 10 Kilometer gelaufen, Fahrrad gefahren, schwimmen gewesen, habe vier Enkel, Haus, Garten, bin Schichtarbeiter.

Bei Post-Covid war das anders. Ich konnte kaum vor die Tür gehen, ich hatte permanente Atemprobleme, Kondition gleich null. Ich habe für einen Kilometer etwas mehr als 1,5 Stunden gebraucht, Schwimmen und Fahrradfahren ging gar nicht mehr. Mir wurde dann eine Reha empfohlen, die gezielt mein Kardioproblem und mein Post-Covid-Problem abdeckte, auch wenn ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht realisiert hatte.

In der Reha haben sie bei mir schließlich 17 Symptome von Post-Covid diagnostiziert. Zum Beispiel eine schnelle Konzentrationslosigkeit, Ermüdungserscheinungen und  Atemprobleme – all diese Symptome kommen zügig und ohne Vorwarnung, sodass ich dann Zeit brauche, um mich wieder einzukriegen.

Post-Covid ist eine Krankheit, die mich wahrscheinlich immer begleiten wird. Auf welchem Level und in welcher Form, entscheidet mein Körper selbst. Wenn ich mich nicht an meine Belastungsgrenzen halte, dann sind die nächsten zwei Tage aus dem Kalender gestrichen. Das weiß ich mittlerweile. Demnach habe ich viel über meine Grenzen und meinen Körper gelernt – wie er reagiert und wie ich durch Atemtherapie besser klarkomme. Atemtherapie habe ich teilweise auch bei Kaia COPD in den Wissenseinheiten gelernt.

Wie sind Sie zu Kaia gekommen?

Sechs Wochen nach meiner ersten Covid Infektion habe ich gemerkt, dass gar nichts mehr ging. Alle haben mich gefragt, was los ist. Ich bin dann in einer Phase gewesen, wo ich nichts gemacht habe, obwohl ich etwas hätte machen sollen.

Der eigene Antrieb war gleich null. Ich war genervt, meine Familie war genervt, alle waren out-of-order. Ich war nicht depressiv, aber ich war einfach unzufrieden mit meiner Verfassung. Ich musste immer wieder einen Weg finden, mir zu sagen: Ich muss was ändern, sonst geht alles den Bach runter.

Meine Frau hat dann initiiert, dass ich mich mit Kaia COPD befasse. Sie kaufte eine Zeitung, wo die App vorgestellt wurde.

Da dachte ich noch, dass sei irgendwelcher Schnulli. Dann hab ich mich belesen und dachte: So schlecht hört sich das gar nicht an, ich werde mal meinen Arzt fragen.

Als ich dann den Freischaltcode hatte und das erste Mal das Programm öffnete, ging es los. Man muss einfach aktiv werden, weil es einem wirklich weiterhilft.

Erzählen Sie mir, wie Sie Kaia COPD in Ihren Alltag einbinden.

Kaia COPD habe ich vor 120 Tagen angefangen zu nutzen und ich habe keinen Tag ausgelassen. Das war noch vor der Reha.

Für mich ist es ein Ritual und ich fange meist früh an. Die Übungen sind so strukturiert, dass sie relativ kurzweilig sind, es sind immer fünf Übungen von jeweils etwa 35 Sekunden. Dann kann man sich entscheiden, ob man einen Durchgang, zwei oder drei macht. Ich mache immer zwei. Ich habe in den 120 Tagen immer zwei Durchgänge gemacht, auch, wenn es mir schlecht ging.

In der Früh ist es so, dass ich aufstehe und schaue, wie es mir geht. Dann frühstücke ich, lese Zeitung und irgendwann kommt von ganz alleine der Gedanke: So, jetzt ist es soweit. Manchmal fällt es meiner Frau vor mir ein. Sie sagt dann: Hey, hast du heute schon Kaia gemacht?

Es ist ein super Konditionsprogramm, wo ich sagen kann, dass die Muskeln was davon haben. Ich kann selbst Übungen, die für mich schwerer sind, leicht abwandeln – wenn eine Standwaage dran ist, nehme ich mir zum Beispiel einen Stuhl dazu. Mit 64 kann man keinen Marathon mehr gewinnen, aber man macht es eben so gut, wie es geht.

Kaia ist wie meine private Sporthalle. Hier kann ich zuhause trainieren und mir auch zwischendrin aus der Bibliothek mal nur eine Übung rausnehmen und unabhängig vom täglichen Programm machen. Man kann jeden Tag sagen: Ich nehme mir jetzt die Zeit für eine Übung. Oder ich mache mal nur eine Atemübung. Ich muss nicht das ganze Programm machen, ich kann mich, so wie ich Zeit habe, darauf verlassen, dass es funktioniert.

Haben Sie eine Lieblingsübung?

Vom Entspannungsteil mache ich sehr oft die Kurse “Atmung 1” und “Atmung 2” und auch die Progressive Muskelentspannung. Bei den Bewegungsübungen gibt es die Möglichkeit, sich Favoriten zu markieren. In den Favoriten habe ich beispielsweise alle Übungen mit Flaschen. Ich kann dann variieren – ich habe eine Kraftübung, aber ich kann sie auch zur Koordination der Ein- und Ausatmung nutzen. Das finde ich gut, denn ich trainiere meine Lunge, um eventuell mein Lungenvolumen zu erhalten oder, was spitze wäre, es zu verbessern. Das weiß ich in 14 Tagen, dann habe ich den aktuellen Befund von meinem Pneumologen.

Die koordinativen Übungen finde ich auch super. Zum Beispiel den Arm auf die rechte und das Bein auf die linke Seite auszustrecken. Das waren Sachen, die für mich am Anfang schwer waren. Da dachte ich zu mir selbst: Oje, du kannst es gar nicht mehr. Jetzt kriege ich auch Sachen hin, die für mich vor Kaia undenkbar waren. Die sind in den letzten 120 Tagen wieder gewachsen. 

Was hat sich in Ihrem Leben verändert, seit Sie Kaia nutzen?

Wenn ich Kaia am Tag nicht nutze, fehlt mir was. Das ist ja auch schon eine Veränderung!

Ich merke auch, dass ich nicht mehr nur der bin, der immer ausgebremst ist, irgendwann geht es für mich ein Stück vorwärts. 

Wer willens und mit Verstand diese App mit all ihren Funktionen ausnutzt, der hat etwas davon. Ich kann es nur empfehlen und bin der festen Überzeugung: Wer sich mit Kaia die Mühe macht, jeden Tag 15 oder 20 Minuten zu investieren, der bleibt mit seiner Krankheit zumindest auf dem gleichen Level oder es gibt sogar eine kleine Verbesserung nach vorne. Man hält auf jeden Fall den Punkt, den man halten kann. Wir wollen wieder da hin, wo wir mal waren, obwohl wir da nicht ankommen, aber wenn wir einen halben Weg geschafft haben, sind wir trotzdem über den Berg.

Und wenn Sie sagen: Wow, Sie haben 120 Tage gemacht, dann sage ich: Ja, genau deswegen. Es nützt mir nichts, wenn ich es nur einmal die Woche mache. Das ist meine Motivation.

Mir scheint es, als sei die Selbstwahrnehmung ein wesentlicher Teil bei chronischen Erkrankungen.

Ja, das ist wie das Tal der Tränen, wo man durchgeht. Es fällt einem tagsüber Vieles nicht leicht, auch wenn ich manches hier locker und flockig erzählt habe. Es gibt Punkte, zum Beispiel wenn meine Therapeutin etwas Bestimmtes anspricht, wo ich mich für eine halbe Stunde zurückziehen muss, um eine Runde zu heulen. Das gehört genauso dazu wie alles andere. Für mich ist das tägliche Therapie.

Ich hab für mich entschieden: Es gibt nur noch gute Tage. Und ist der nächste Tag noch besser, haben wir alles richtig gemacht.

Gibt es noch eine Sache, die Sie Patient:innen mit auf den Weg geben wollen?

Das Wichtigste ist die persönliche Einstellung. Ich habe das in Feldberg in der Reha selbst erlebt. Nach der Diagnose war ich in einem tiefen Loch. Gemeinsam mit anderen Patient:innen habe ich schließlich eine Selbsthilfegruppe gegründet und gemeinsam konnten wir uns rausziehen.

Ich habe mich immer wieder gefragt: Will ich in dem Loch bleiben oder will ich am gesellschaftlichen, normalen Leben wieder irgendwo teilnehmen? Und was kann ich selbst tun, für mich und für andere? Bin ich in der Lage, mein positives Denken so weit zu bringen, dass andere es erkennen? Dass mich nicht fünfmal am Tag jemand fragen muss, ob ich was brauche, sondern dass ich auch ein Stück weit selbst damit klar komme.

Das Schlimmste sind die vielen Erklärungen gegenüber Menschen, die meine Situation nicht verstehen wollen. Wenn immer wieder die gleiche Person vor dir steht und sagt „Na komm, hab dich nicht so”, dann habe ich mich auch von Freunden getrennt. Auch das müssen COPD-Patient:innen lernen, mal zu sagen: Es tut mir leid, ich werde dich nicht mehr belästigen mit der Sache und komme alleine klar. Jeder sollte sich so weit aufbauen, um zu sagen „Ok, ich bin das jetzt und du kannst mir erzählen, was du willst.” Ich habe viel gelernt im öffentlichen Auftreten.

Ich kenne auch Menschen, für die es keine COPD und kein Post-Covid gibt. Sie sind der Meinung, ich bilde mir das nur ein. Da weiß ich jetzt, wie ich zu handeln habe und sie machen mittlerweile einen großen Bogen um mich. Das ist für mich ok. Ein bisschen Selbstbewusstsein muss man sich aufbauen und das wünsche ich auch allen Patient:innen: Den inneren Mut zu haben „Ich will” und nicht “Mir hilft ja keiner”.

ICH WILL. Das ist der springende Punkt. Das ist das, was ich jedem auf dem Weg geben kann und möchte.

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