Die Multimodale Schmerztherapie

Viele Patienten mit chronischen Schmerzen durchlaufen einen langen Weg an Therapien, von manueller Therapie zu Fango, über Akkupunktur zu Massagen, Injektionen und noch vieles mehr.

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Die multimodale Schmerztherapie besteht aus den Elementen Wissen, Entspannung und Bewegung.

Viele Patienten mit chronischen Schmerzen durchlaufen einen langen Weg an Therapien, von manueller Therapie zu Fango, über Akkupunktur zu Massagen, Injektionen und noch vieles mehr. Diese Therapien, die bei akuten Schmerzen oftmals sehr wirksam sind, helfen jedoch bei chronischen Schmerzen wenig. Im Gegensatz zu akuten Schmerzen, welche maximal 12 Wochen andauern, helfen hier oft keine üblichen einseitigen Therapien mehr. Bei chronischen Schmerzen spielen neben den körperlichen Ursachen für den Schmerz auch psychische und sozialen Faktoren eine große Rolle. Chronische Schmerzen entstehen aufgrund eines komplexen Zusammenspiels bio-psycho-sozialer Faktoren [siehe auch Artikel „Wie werden Rückenschmerzen chronisch?“]. Deshalb hier im ist Gegensatz zu einseitigen unimodalen Therapien eine ganzheitliche, multimodale Therapie notwendig, die auch bio-psycho-soziale Belastungsfaktoren berücksichtigt. [1]

Was versteht man unter der multimodalen Schmerztherapie?

Unter der multimodalen Schmerztherapie versteht man die ganzheitlich orientierte, umfassende Behandlung von Personen mit chronifizierten Schmerzerkrankungen. Es sind mindestens drei Berufsgruppen an der Behandlung des Patienten beteiligt: Ärzte, Psychologen und Bewegungstherapeuten, oft begleiten auch Ergotherapeuten die Behandlung. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit ist eine Grundvoraussetzung der multimodalen Schmerztherapie, um eine optimale Versorgung des Patienten zu gewährleisten. Das Behandlungsteam arbeitet dabei Hand in Hand, es findet ein regelmäßiger Austausch in Teambesprechungen statt.

Ein grundlegendes Ziel der multimodalen Schmerztherapie, ist die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit im Alltag sowie den Aufbau von eigenen Kompetenzen und Strategien im Umgang mit der Schmerzerkrankung. Dieses Ziel kann bei jedem Patienten anders aussehen, deshalb werden die individuellen Therapieziele zu Beginn der Therapie gemeinsam mit dem Patienten festgelegt. Der Patient steht innerhalb der gesamten Therapie im Mittelpunkt. Es wird versucht den individuellen Bedürfnissen des Patienten gerecht zu werden. [2]

Für welche Erkrankungen ist die multimodale Schmerztherapie geeignet?

Die multimodale Schmerztherapie wird vor allem für Patienten mit bereits chronifizierten Schmerzsyndromen empfohlen, darunter fallen alle chronischen Schmerzerkrankungen wie beispielsweise chronische Rückenschmerzen, Migränekopfschmerz und Fibromyalgie. Die Therapie wird jedoch auch bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine Chronifizierung empfohlen, mit dem Ziel eine Chronifizierung der Schmerzen vorzubeugen. Bei diesen Patienten ist aufgrund des Zusammenspiels verschiedener bio-psycho-sozialer Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der akute Schmerz chronisch werden kann. Ein erhöhtes Risiko für chronische Schmerzen kann beispielsweise aufgrund von Stress am Arbeitsplatz, Einschränkung der Lebensqualität oder depressive Stimmung, Ängste oder Sorgen bestehen. [2,3]

Wie sieht das Therapieprogramm aus?

Im Therapieprogramm der multimodalen Schmerztherapie sind sowohl ärztliche, bewegungstherapeutische als auch psychologische Einheiten enthalten. Die Therapiebausteine sind eng miteinander vernetzt, bauen aufeinander auf und ermöglichen so eine sehr intensive Behandlung. Die Behandlung erfolgt üblicherweise in Kleingruppen.

Ein wichtiger Teil der ärztlichen Therapiebausteine sind Informationsveranstaltungen, in denen Wissen zur Schmerzentstehung, Schmerzwahrnehmung, zu spezifischen Krankheitsbildern sowie zu Schmerzmedikamenten vermittelt wird. Therapiebegleitend finden ärztliche Einzelgespräche statt, hier wird die medikamentöse Ein- oder Umstellung besprochen, Verlaufsuntersuchungen finden statt und es ist Raum für persönliche medizinische Anliegen des Patienten.

Die psychologischen Therapiebausteine bestehen ebenfalls aus Informationsveranstaltungen, in denen Wissen vermittelt wird zu Schmerzerleben, das Zusammenspiel von bio-psycho-sozialen Faktoren, der Umgang mit Stress oder anderen Alltagsbelastungen und Schmerzbewältigung. In der Gruppe werden psychologische Schmerzbewältigungsstrategien geübt, beispielsweise Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Autogenes Training. Therapiebegleitend finden psychologische Einzelgespräche statt, hier soll Raum sein für persönliche Themen und Anliegen.

Die bewegungstherapeutischen Therapiebausteine dienen zur Aktivierung und den Wiederaufbau der körperlichen Funktions- und Leistungsfähigkeit. In den Einheiten wird die Körperwahrnehmung verbessert, die körperliche Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination mit verschiedenen Übungen trainiert. Dabei wird mit sehr leichten Bewegungsübungen begonnen, welche Schritt für Schritt gesteigert werden. In der Bewegungstherapie wird einerseits aktiv geübt, andererseits auch wichtiges theoretisches Wissen über Trainingsgestaltung im Alltag und Pausensetzung vermittelt.

In vielen schmerztherapeutischen Einrichtungen gibt es zusätzlich zu diesen drei therapeutischen Bausteinen ein ergänzendes Angebot mit Ergotherapie, Musik- oder Kunsttherapie.

Das Therapieprogramm findet meist über vier bis fünf Wochen täglich statt. Es gibt in einigen Einrichtungen bereits berufsbegleitende Gruppen, die an 2 bis 3 Tagen die Woche stattfinden. [2,4]

Welche Erfolge kann ich mir von der multimodalen Schmerztherapie versprechen?

Die multimodale Schmerztherapie hat sich bei der Behandlung von chronischen Schmerzerkrankungen bisher als erfolgreich erwiesen. In einigen Studien wurde bereits wissenschaftlich untersucht, welche Ergebnisse durch die Therapie erzielt werden können. Es zeigten sich durchgehend sehr gute und stabile Behandlungsergebnisse. Die Schmerzsymptomatik wurde durch ein mehrwöchiges multimodales Therapieprogramm deutlich reduziert. Direkt nach der Therapie sowie nach 6 Monaten berichteten die Patienten von deutlich reduzierten Schmerzen. Die körperliche Leistungsfähigkeit verbessert sich stetig und damit kommt es nach Abschluss der Therapie zu weniger Einschränkungen im Alltag. Die Patienten suchen auch noch lange nach der Therapie deutlich seltener einen Arzt auf. 60 bis 70 Prozent der Patienten sind direkt nach der multimodalen Schmerztherapie wieder arbeitsfähig und können normal in ihrem Beruf arbeiten, das ist deutlich mehr als bei gängigen unimodalen Schmerztherapien. Studien zeigen auch, dass sich die Stimmung der Patienten deutlich bessert, es zeigen sich weniger depressive Symptome nach Therapieende. Insgesamt wird die allgemeine Lebensqualität durch die multimodale Schmerztherapie deutlich gebessert. [5,6]

Wieso habe ich bisher noch nichts von der multimodalen Schmerztherapie gehört?

Das multimodale Programm etablierte sich in Deutschland erst in den 1990er Jahren. Seitdem verbreitet sich das Konzept und findet Anklang in vielen schmerztherapeutischen Einrichtungen. Bisher gibt es in Deutschland dennoch vergleichsweise wenige schmerztherapeutische Einrichtungen, die ein intensives multimodales Programm anbieten. Die Verfügbarkeit von multimodaler Schmerztherapie ist in Deutschland noch lange nicht ausreichend oder flächendeckend gegeben. In einigen Bundesländern finden sich bisher noch gar keine Versorgungsangebote hinsichtlich multimodaler Schmerztherapie. Der Ausbau schmerztherapeutischer Zentren mit einem multimodalen Therapieangebot wird weiterhin von der Deutschen Schmerzgesellschaft gefordert. [1,7,8]

Hilfe zur Selbsthilfe

Die multimodale Schmerztherapie bietet ein breites Spektrum an Strategien und Übungen, die helfen mit einer chronischen Schmerzerkrankung umzugehen. Auf Dauer zeigen sich positive Therapieergebnisse wie eine Schmerzreduktion und eine verbesserte Leistungsfähigkeit. Die multimodale Schmerztherapie setzt dabei auf das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“, möchte also erreichen, dass der Patient selbst weiß, wie er aktiv und eigenständig mit den Schmerzen umgehen kann. Das Ziel ist, dass der Patient am Ende der Therapie seine eigenen individuellen Strategien an der Hand hat, mit denen er selbstständig seine Schmerzen lindern kann. Aufgrund der sehr guten Behandlungsergebnisse wird die multimodale Schmerztherapie in den Nationalen Versorgungsleitlinien empfohlen als die optimale Therapie bei chronischen Schmerzen. [9]

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